Aktieninvestment = volles Risiko? Das muss nicht sein. In unserem Akademie-Sommer zeigen wir, welche strukturierte Wertpapiere für Anlegerinnen und Anleger interessant sein können, die mehr Sicherheit wünschen, und worauf es bei den einzelnen Produkttypen ankommt – kompakt erklärt und praxisnah. Teil 4/5: Bonuszertifikate
Bonuszertifikate am deutschen Markt aufkamen, überzeugte die Idee schnell mit ihren handfesten Vorteilen gegenüber einem Direktinvestment in Aktien. Ihr Konzept: Ein fixer Bonus wird gezahlt, wenn die jeweilige Aktie während der Laufzeit nicht die zum Start festgelegte Barriere berührt. Der Bonus gilt dann aber nur als Minimum. Steigt die Aktie nämlich über das vom Bonus vorgegebene Niveau hinaus, werden Anleger daran beteiligt. Wie bei einer Aktie sind Gewinnchancen somit nicht begrenzt. Und anders als bei einer Aktie kann aufgrund der Bonuszahlung sogar bei einem Aktienminus noch ein Ertrag erzielt werden. Dafür verzichtet der Anleger wie bei strukturierten Wertpapieren üblich auf etwaige Dividendenzahlungen. In der Praxis zeigte sich dann allerdings, dass die Absturzpuffer oft zu eng gewählt wurden. In turbulenten Börsenphasen rissen die Barrieren reihenweise. Viele Anleger waren enttäuscht. Denn ihr Anspruch auf die Bonuszahlung war damit verloren. Am Ende erfolgten dann Rückzahlungen, die die Verluste des jeweiligen Basiswerts ungebremst widerspiegelten, beziehungsweise es wurden direkt Aktien in die Anlegerdepots geliefert, wobei Dividenden trotzdem an den Anlegern vorbeigingen. Heute werden die Papiere in ihrer klassischen Form zwar weiterhin eingesetzt und können eine reizvolle Alternative zur Aktie sein. Das ständige Risiko eines Bruchs der oft eng gesetzten Barrieren erscheint vielen Anlegern aber zu hoch. Deshalb hat mittlerweile eine Abwandlung der Bonusstruktur dem „Klassiker“ den Rang abgelaufen: Bonuszertifikate mit Gewinngrenze (Cap). Auch bei diesen Papieren kann der Bonusanspruch zwar jederzeit gelöscht werden, diese Gefahr wird aber durch eine meist sehr tief angesetzte Barriere eingedämmt. Im Gegenzug wird hier die volle Chance auf Partizipation gestrichen. Ein „Cap“ grenzt die Gewinnchancen ein. In der Regel gibt der Bonus diesen maximalen Gewinn vor. Wird ein „Capped Bonuszertifikat“ also mit einem Bonuslevel von 120 Prozent des Startkurses der Aktie angeboten, steht eine Bonuszahlung von 20 Prozent in Aussicht. Gleichzeitig handelt es sich bei der Rückzahlung zu 120 Prozent um das „Maximum (Cap)“. Auch wenn die Barriere reißt und die Aktie sich bis zum Laufzeitende sogar wieder über das Bonuslevel hinaus erholt, gilt die damit ausgelöste Eins-zueins- Beteiligung nur bis zur Grenze bei 120 Prozent des Startkurses der Aktie.
Die Aktie XY ist Basiswert eines Bonuszertifikats und notiert bei 100 Euro. Das Bonuszertifikat wird mit einer Barriere bei 70 % bzw. 70 Euro und einem Bonuslevel bei 110 % bzw. 110 Euro emittiert (Nominal: 100 Euro). Am Laufzeitende sind sechs Szenarien denkbar*:
Szenariovergleich Aktie vs. Bonuszertifikat*
Wertentwicklung per Fälligkeit; fiktive Aktie notiert zum Start bei 100 €; Barriere bei 70%, Bonuslevel bei 110%
a) Die Aktie ist stark gestiegen und notiert am Ende bei 120 Euro, die Barriere wurde niemals berührt: Der Ertrag entspricht dem Kursplus der Aktie und liegt bei 20 %. Ein Direktinvestment in die Aktie wäre mit plus 20 % ebenso erfolgreich gewesen.
b) Die Aktie ist leicht gestiegen und notiert am Ende bei 105 Euro, die Barriere wurde niemals berührt: Das Bonuszertifikat wird zu 110 % zurückgezahlt. Der Bonus von 10% kann als Ertrag in selber Höhe verbucht werden. Ein Direktinvestment wäre in diesem Fall mit plus 5 % schlechter gewesen.
c) Die Aktie ist leicht gestiegen und notiert am Ende bei 105 Euro, die Barriere wurde aber zwischenzeitlich berührt: Das Bonuszertifikat wird zu 105 Euro zurückgezahlt. Ein Direktinvestment wäre mit plus 5 % ebenso erfolgreich gewesen.
d) Die Aktie ist gefallen und notiert am Ende bei 75 Euro, die Barriere wurde niemals berührt: Das Bonuszertifikat wird zu 110% zurückgezahlt. Der Bonus von 10% kann als Ertrag in selber Höhe verbucht werden. Ein Direktinvestment wäre mit minus 25 % schlechter gewesen.
e) Die Aktie ist gefallen und notiert am Ende bei 75 Euro, die Barriere wurde aber zwischenzeitlich berührt: Die Rückzahlung erfolgt zu 75 %. Ein Direktinvestment wäre mit minus 25 % ebenso schlecht gewesen.
f) Die Aktie ist stark gefallen und notiert am Ende bei 60 Euro, die Barriere wurde somit berührt: Die Rückzahlung erfolgt zu 60 %. Ein Direktinvestment wäre mit minus 40 % ebenso schlecht gewesen.
Ständiges Barriererisiko ausschalten
Bei einigen Angeboten gehen die Produktkonstrukteure sogar noch einen Schritt weiter: Bei Varianten, die oft als „Pro“ bezeichnet werden, besteht gar kein dauerhaftes Risiko eines Barrierebruchs mehr. Denn ausschlaggebend für die Bonuszahlung ist dort nur der Kurs der Aktie am Laufzeitende (sog. europäische Barriere). Dieses Vorgehen kennen viele Anleger auch beispielsweise von klassischen Expresszertifikaten. Mit der nur endfälligen Gültigkeit der Barriere wird das Sicherheitsniveau sehr deutlich erhöht. Damit kommen die Papiere auch für Privatanleger und Berater in Frage, die generell keine sogenannten amerikanischen Barrieren einsetzen wollen, die jederzeit reißen können. Nur mit dieser Ausgestaltung ließe sich auch ein Effekt nutzen, der am Markt durchaus häufig auftritt: Wie scharf ein Aktieneinbruch auch ausfallen mag, nach einer Zeit erfolgt oft eine Erholung, die den Kurs wieder ins Plus führt. Die Barriere der „Pro“-Lösungen könnte am Ende also wieder überschritten sein. Aufgrund des damit stark eingeschränkten Risikos werden diese Papiere auch am Primärmarkt angeboten, wo „Bonusse“ sonst nicht zu finden sind.
Achtung: Aufgeld
Am Markt für Zeichnungsangebote kann dabei auch eine Kennzahl vernachlässigt werden, die bei bereits laufenden Papieren nicht unterschätzt werden darf: das sogenannte Aufgeld. Dieses gibt an, ob das Papier teurer gehandelt wird als die Aktie selbst und wenn ja, um wie viel. Weicht der Preis für das Zertifikat stark von dem der Aktie ab (unter Berücksichtigung des Bezugsverhältnisses), verschiebt sich das Chance- Risiko-Profil der Anlage bisweilen immens. Weil das Zertifikat teurer eingekauft wurde, kann sich ein Aktienplus nicht mehr im vollen Umfang positiv auswirken. Noch problematischer ist aber, dass das Aufgeld bei einem Barrierebruch in jedem Fall verloren geht, weil sich der Wert des Zertifikats am Ende einzig und allein am Aktienkurs orientiert. Dann fallen Verluste noch höher aus als bei einem Direktinvestment in die Aktie.
Barriere: Die Barriere ist Dreh- und Angelpunkt eines Bonuszertifikats. Sie muss die gesamte Laufzeit über unberührt bleiben, um den Bonus zu sichern. Wird sie verletzt, bildet das Zertifikat am Ende die Aktienentwicklung eins zu eins ab.
Bonuslevel: Das Bonuslevel zeigt an, wie hoch der Rückzahlungsbetrag bei intakter Barriere ausfällt. Steigt die Aktie über das Level hinaus, sind Anleger bei klassischen Bonuszertifikaten an dem Kursplus aber ebenfalls beteiligt.
Cap: Bei Bonuszertifikaten mit Cap (auch „Capped Bonus“) werden Anleger nicht voll an einem Aktienplus beteiligt. Die Gewinngrenze (Cap) wird in der Regel auf dem Bonuslevel angesetzt. Der Bonus gibt somit den Maximalertrag vor.
Aufgeld: Bonuszertifikate, die schon einige Zeit gehandelt werden, weisen häufig ein Aufgeld auf. Sie sind also teurer als die Aktie selbst. Kommt es zu Verlusten, werden diese durch das Aufgeld noch gesteigert und an einem Kursplus partizipieren Anleger wegen des verteuerten Einstiegs nur unterproportional.
Wann sind Alternativen besser?
Wie Aktienanleihen und Expresse sind auch Bonuszertifikate im Seitwärtsmarkt lohnenswert und ermöglichen selbst dann einen Ertrag, wenn die Aktie korrigiert. Die Barriere kann bei den meisten Angeboten dieser Art allerdings jederzeit reißen. Dann ist jegliche Sicherung verloren. Für sehr risikoscheue Investoren sind Papiere mit Barrieren, die nur am Ende halten müssen, deshalb besser geeignet. Aufgrund ihrer oft hohen Ertragsaussichten können Bonuszertifikate aber dort ihre besondere Stärke ausspielen, wo sie als direkte Alternative zu einem gänzlich ungesicherten Investment in die Aktie eingesetzt werden. Gerade die Klassik-Variante punktet dabei auch mit der vollen Partizipationschance.
Das bieten Bonuszertifikate