13.10.23, 10:00

„Finanzen dürfen auch Spaß machen“ – Finanzmentorin Antonia Gahr im DZB Gespräch

Coaching, Mentoring, Workshops: Angebote, bei denen in Online-Seminaren Finanzwissen vermittelt werden soll, erleben starken Zulauf – meist von jungen Menschen. Im DZB Gespräch erklärt Antonia Gahr, die Finanz-Mentoring speziell für Frauen anbietet, wie ihre Kundinnen zu ihr kommen, warum sie keine klassische Beratung nutzen und warum eine stärkere Regulierung ihres Metiers wünschenswert wäre.

Antonia Gahr hat nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau (BayernLB) Informationsorientierte Betriebswirtschaftslehre (iBWL) studiert und mit einem Bachelor of Science abgeschlossen. Danach war die heute 29-Jährige in der Unternehmensberatung tätig, bevor sie vor rund zwei Jahren easypeasy_moneyincreasy gründete und seitdem Finanz-Mentoring für Frauen anbietet. „Viele haben beim Thema Geld ein Zeitproblem, viele ein Angstproblem, aber ganz viele haben auch ein Unlustproblem“

Was ist Finanzmentoring? Anbieter von Mentoring, Coaching oder Workshops zu Geldanlagethemen dürfen Wissen vermitteln, aber keine Beratungsleistung erbringen. Konkrete Produktempfehlungen sind nicht erlaubt. Die Berufsbezeichnungen sind nicht geschützt. Mit dem wachsenden Markt wird auch der Ruf nach einer Regulierung lauter. Die Bafin hat einige der Angebote bereits untersucht und gibt auf ihrer Website Tipps, worauf Anleger, die sich für ein solches Programm interessieren, achten sollten. Unter anderem rät sie dazu, die Kompetenz des jeweiligen Anbieters zu prüfen und überzogene Versprechungen als Warnsignal zu verstehen.

Frau Gahr, Sie richten Ihr Angebot speziell an Frauen. Würden Sie einen Mann tatsächlich abweisen, wenn er anfragt?

Ich spreche Männer zumindest nicht aktiv an und in den Gruppen-Mentorings würde ich sie auch nicht aufnehmen. Dort ist es wichtig, dass die Frauen unter sich sind. Damit werbe ich ja auch. Kundinnen erzählen mir aber immer wieder, dass sich ihr Partner noch weniger mit den eigenen Finanzen beschäftigt als sie. Sie geben das Erlernte dann oft zuhause an die Männer weiter.

Wer ist denn Ihre typische Kundin?

Viele meiner Kundinnen sind gerade in den ersten, oft gut bezahlten Job gestartet und fragen sich, was sie mit dem verdienten Geld jetzt anfangen sollen. Es kommen aber auch Frauen zu mir, die noch mitten im Studium stecken und einfach so früh wie möglich damit anfangen wollen, ihre Finanzen zu organisieren und erste Investments zu starten. Und was ich erst in letzter Zeit festgestellt habe: Auch Frauen, die gerade Mutter geworden sind, treibt plötzlich das Thema Finanzen um. Da kommt die „Löwenmama“ heraus, die für ihre Kinder unbedingt vorsorgen will. Denen sage ich oft: Sorg’ doch erstmal für dich selbst vor! In einem zweiten Schritt kann man sich dann immer noch um Anlagestrategien für die Kinder kümmern und das aufgebaute Wissen zur Geldanlage auf diese anwenden.

Und wie kommen diese Frauen zu Ihnen?

Mein Hauptkanal ist Instagram. Dort teile ich Content, der zunächst einmal zeigen soll, dass ich über das Knowhow im Finanzbereich verfüge. Außerdem merken Interessentinnen in diesen kleinen „Kostproben“, ob sie die Inhalte, wie ich sie erkläre, auch gut verstehen können. Und es lässt sich über dieses Medium auch gut eine Beziehung aufbauen. Vertrauen ist ja gerade im Finanzbereich wichtig. In den Stories teile ich meine Erfahrungen und erzähle viel von mir.

In der Finanzbranche ist eine jugendliche Ansprache, wie Sie sie praktizieren, ja immer noch eher unüblich. Verliert der Inhalt damit nicht an Seriosität?

Nein, das sehe ich nicht so. Ich mache das zum einen, weil es mir so selbst am meisten Spaß macht. Zum anderen gehe ich fest davon aus, dass es so auch meiner Zielgruppe lieber ist. Junge Menschen wünschen sich jemanden, der ihre Sprache spricht. Und ich signalisiere damit, dass Finanzthemen auch Spaß machen dürfen und nicht verstaubt sein müssen. Es gibt ja verschiedene Gründe, warum man sich noch nicht ausreichend mit seinen Finanzen auseinandergesetzt hat: Viele haben ein Zeitproblem, viele habe ein Angstproblem, aber ganz viele haben auch ein „Unlustproblem“. Wenn man etwas mehr Spaß in die Sache bringt, kann man auch eher Begeisterung entfachen.

Aus welchem Antrieb und mit welchen Ängsten kommen die Frauen zu Ihnen?

Es geht schon in erster Linie um die Sorge, später zu wenig Geld zur Verfügung zu haben. Dazu kommen ja auch genug alarmierende Zahlen in den Medien. Aber auch Unabhängigkeit ist ein sehr großes Thema. Die Frauen wollen weder von einem Job noch vom Partner abhängig sein. Dabei sehen sicher auch viele ihre Elterngeneration als abschreckendes Beispiel. Frauen konnten sich dort oft einfach nicht von ihren Männern trennen, weil sie nach einer Scheidung mit nichts dagestanden wären.

Wenn es vor allem um Vorsorge geht, ist die Risikotoleranz sicher eher niedrig ...

Ja, das stimmt. Es lässt sich schon eine starke Risikoscheu beobachten – zumindest am Anfang. Ich zeige dann aber auf, dass die Renditevorstellungen, die ja durchaus vorhanden sind, bei sehr niedriger Risikoakzeptanz schlichtweg nicht zu erreichen sind. Außerdem gehe ich auf den Faktor Zeit ein, der sich ja am Aktienmarkt sehr positiv auswirkt und meinen jungen Kundinnen zugutekommt. Das unterschätzen viele. Mit dem Zuwachs an Finanzwissen werden die Frauen dann oft auch mutiger.

Welche wichtigen Inhalte gibt es noch in Ihrem Mentoring-Programm?

Bei manchen Kundinnen muss man wirklich bei den Basics anfangen. Sie sind sich oft gar nicht bewusst, wofür sie das meiste Geld ausgeben. Ihnen rate ich dann, ein Haushaltsbuch zu führen. Erst da wird ihnen bewusst, was der tägliche Coffee-to-go in der Summe ausmacht. Ein wichtiger Bestandteil in den Gruppen-Programmen ist auch die Berechnung der Rentenlücke. Das ist für manche erschreckend, aber wichtig. Ich rechne die Lücke anhand meiner Daten vor und die Kundinnen müssen es für sich nachrechnen.

Sie geben also auch Hausaufgaben auf?

Ja, schon. In zwei Stunden wöchentlich können wir nicht alles abdecken. Und wenn ich nur theoretische Beispiele vorrechne, bleibt davon nicht viel hängen. Außerdem sollen die Kundinnen am Ende ja in der Lage sein, sich selbständig nach einiger Zeit auch wieder neu aufzustellen und da ist „Learning by Doing“ ganz wichtig. Man muss aber auch darauf achten, dass es nicht zu viele Hausaufgaben werden. Sonst werden die nicht erledigt, die Teilnehmerin ist unzufrieden und kommt so auch nicht an ihr Ziel. Was ich verkaufe, ist ja nicht die bloße Zeit der Wissensvermittlung. Ich verkaufe das Ergebnis „Du fühlst dich endlich gut mit deinen Finanzen!“. Da ist es meine Aufgabe, einen realistischen Weg zu finden, wie dieses Ziel auch erreicht werden kann.

Mit der Erkenntnis, dass man die eigenen Finanzen angehen muss, ist ja schon ein wichtiger Schritt getan. Wieso trauen sich viele den zweiten Schritt dann nicht ohne Hilfe zu? Es gibt ja mittlerweile genügend Informationsquellen – auch kostenfreie.

Tatsächlich haben viele Kundinnen zum Beispiel zwei, drei Finanzbücher zuhause auf dem Nachttisch liegen, aber dann doch keine Lust, die zu lesen. Oder sie haben sich schon Videos zu dem Thema angesehen, stellen aber fest, dass es zu viele solcher Videos gibt. Sie wissen, dass sie die nicht alle brauchen. Das hohe Info-Angebot ist auch eine Überforderung. Auf der anderen Seite steht die Angst, etwas falsch zu machen. Denn bei Finanzen würde das bedeuten, Geld zu verlieren. Das wollen sie ja gerade nicht. Sie stehen somit vor einem Berg und verfallen in eine Art Schockstarre. Sie machen dann erstmal gar nichts. Mein Job ist es, ihnen das grundsätzlich nötige Wissen auf dem Silbertablett zu präsentieren und einen Schritt-für- Schritt-Plan an die Hand zu geben.

Und weshalb gehen die Frauen in einer solchen Situation nicht zur klassischen Anlageberatung bei ihrer Bank?

Oft haben junge Anleger ja kaum mehr Berührungspunkte mit klassischer Beratung, weil sie ihr Geld bei einer Direktbank haben, die nicht proaktiv auf Kunden zugeht und Anlageberatung anbietet. Es kommen aber auch Kundinnen zu mir, die zum Beispiel schon einen aktiv gemanagten Fonds aus einer früheren Beratung im Depot haben. Dabei stellt sich nicht selten heraus, dass sie weder wissen, wie solche Produkte grundsätzlich funktionieren noch, warum sie genau diesen Fonds empfohlen bekommen haben. Es wurde also kein Wissen dazu vermittelt oder es kam zumindest nicht nachhaltig bei der Kundin an. Insgesamt haben Banken in meiner Generation kein gutes Standing. Viele haben schon von Fällen gehört, in denen am Bedarf des Kunden vorbeiberaten wurde und es vor allem um Produktverkäufe ging.

Aber auch unter Finanzcoaches und -mentoren wurden schon einige schwarze Schafe ausgemacht, weshalb eine stärkere Regulierung bereits diskutiert wird …

Das ist richtig. Ich würde mir sogar eine stärkere Regulierung wünschen. Ich selbst achte stark darauf, dass ich nur fundiertes Finanzwissen weitergebe und nichts anbiete, was als Beratung ausgelegt werden kann – also vor allem keine konkreten Produktempfehlungen. Ich würde mir eine Art Siegel wünschen. Solche Programme sollten angemeldet und geprüft werden. Dann könnte man auch besser sicherstellen, dass keine falschen Versprechungen und überhöhte Ziele ausgegeben werden.

Welche Ziele sollen die Frauen bei Ihnen erreichen? Wie gehen sie im Idealfall aus dem Mentoring-Programm hinaus?

Auf dem Papier gehen sie mit einer Strategie für die Altersvorsorge aus dem Mentoring, aber was viel schöner ist: Sie haben auch neues Selbstbewusstsein, eine neue Leichtigkeit. Das Thema Finanzen betrifft ja sämtliche Lebensbereiche. Die Frauen fühlen sich besser abgesichert, sie fühlen sich unabhängiger in ihrer Partnerschaft und auch entspannter bei der Frage, ob sie etwa einen Jobwechsel wagen können. Die „ungeregelten Finanzen“ hängen nicht länger über ihnen wie eine schwarze Wolke.