17.09.15, 10:45

Themen-Check: Chinas Börsen - ein Psychogramm

Wenn ein Aktienindex innerhalb eines Jahres um rund 157 Prozent an Wert gewinnt und danach in nicht einmal elf Wochen 45 Prozent verliert, ist man schnell geneigt, von einer Spekulationsblase und deren Platzen zu sprechen. Die Rede ist vom chinesischen Aktienmarkt, gemessen am Shanghai Composite Index, der genau diesen Verlauf genommen hat.
Themen-Check: Chinas Börsen - ein Psychogramm

Wenn ein Aktienindex innerhalb eines Jahres um rund 157 Prozent an Wert gewinnt und danach in nicht einmal elf Wochen 45 Prozent verliert, ist man schnell geneigt, von einer Spekulationsblase und deren Platzen zu sprechen. Die Rede ist vom chinesischen Aktienmarkt, gemessen am Shanghai Composite Index, der genau diesen Verlauf genommen hat. Und wer von platzenden Spekulationsblasen spricht, der denkt auch an eine globale Ansteckungsgefahr. So gab es nicht wenige Experten, die bereits im Mai, als der Shanghai Composite Index noch über zehn Prozent unter seinem späteren Jahreshoch von 5178 Zählern notierte, vor einer Korrektur, wenn nicht sogar vor einem Crash light in einer Größenordnung von 20 Prozent warnten. Und so war es auch nur folgerichtig, dass, selbst nachdem die Korrektur ein mehr als doppelt so starkes Ausmaß wie ursprünglich erwartet angenommen hatte, Marktbeobachter diesen Crash herunterspielten. Die chinesische Börse sei etwas für Zocker, erklärten sie, zumal ausländische Investoren erst seit November 2014 über die Börse Hongkong auch chinesische Inlandsaktien, die in Shanghai gelistet sind, kaufen dürfen.

Weil schätzungsweise 80 Prozent der Umsätze an der Börse in Shanghai Privatanlegern zugeschrieben werden, erinnert die ganze Geschichte an die Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende. Und wenn einer Untersuchung der Universität für Finanzwesen aus Chengdu zufolge (vgl. Bloomberg) zwei Drittel der neuen Aktionäre Chinas die Schule ohne Hochschulabschluss und im Alter von etwa 15 Jahren verlassen haben, sechs Prozent von ihnen sogar Analphabeten sein sollen, dürften deren Aktienkäufe kaum aufgrund fundamentaler Analysen erfolgt sein. Wobei ohnehin fraglich bleibt, ob denn volkswirtschaftliche Überlegungen jenen Börsenaufschwung, wie ihn Shanghai während der zwölf Monate bis zur Mitte dieses Jahres erlebt hatte, je hätten rechtfertigen können.

Umso wichtiger ist es, einen Blick auf die Anleger-Psyche zu werfen, deren Befindlichkeit bei Entwicklungen wie an den chinesischen Festlandsbörsen gerne mit den Stadien von Gier, Euphorie, Angst, Hoffnung und Verzweiflung beschrieben werden. Ist der chinesische Kleinanleger also nur ein Spekulant und Zocker? Mag sein, dass die Hausse in China gerade wegen der schwachen Konjunktur politisch gewollt war. Aber es dürfte vor allen Dingen der soziale Vergleich gewesen sein, der Börsenerfolg und plötzliche Reichtum des Nachbarn, der viele neue Anleger an die dortigen Aktienmärkte gelockt hatte. Es war genau dieser nicht enden wollende Zustrom neuer, überwiegend junger Aktienkäufer, der die Kursgewinne früherer Anleger garantierte. Selbst wer kaum über Börsenerfahrung verfügte, konnte schnelle Gewinne machen und entwickelte so im Nu ein übersteigertes Vertrauen in die eigenen Anlegerfähigkeiten – ein Phänomen, das in der Behavioral Finance als „Overconfidence“ bezeichnet wird. Gerade die Kursentwicklung seit Mitte 2013 muss selbst Spätankömmlinge im chinesischen Aktienmarkt in einen Zustand versetzt haben, den man in der Psychologie als Kontrollillusion kennt. Egal, was passiert, als Marktteilnehmer ist man sich in einer solchen Situation stets sicher, immer wieder jemanden zu finden, der einige Tage, manchmal vielleicht auch Wochen später, bereit ist, einem die gekauften Aktien zu einem höheren Preis abzunehmen. Und dieser Optimismus wird dann in einem Aufwärtstrend, der zwischen Oktober 2014 und April dieses Jahres ohne nennenswerte Korrektur nur die Richtung nach oben kannte, womöglich gleich 10 Mal oder noch häufiger hintereinander bestätigt. Kein Wunder, dass sich gerade ein junger Anleger dann wie der liebe Börsen-Gott zu fühlen beginnt. Und in seiner Allmachtsfantasie wird er dann auch noch von staatlicher Seite gefördert, indem man ihm erlaubt, sogar auf Pump zu spekulieren.

Und dann trat eines Tages das ein, was in einer solchen Situation zwangsläufig immer irgendwann geschehen muss: Der letzte Käufer findet keinen Abnehmer mehr für seine Aktien. Die Folge sind Kurseinbrüche, die, anfangs, immer noch unter dem Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben, von vielen unterschätzt werden. Oft ist dann von einer „gesunden Korrektur“ die Rede. Und es ist gerade die soziale Bindung zu den Anderen, den Freunden, Nachbarn oder Kollegen, die alle im selben Boot sitzen und sich gegenseitig versichern, das sei doch gar nicht leck geschlagen. Aber spätestens wenn die Kreditlinie nicht mehr ausreicht, muss die Notbremse gezogen werden.

Dass der Absturz im Falle Chinas so dramatisch war, ist nicht zuletzt der interventionistischen Politik der chinesischen Zentralbank zuzuschreiben, auf deren Erfolg sich die Anleger zunächst verlassen hatten. Doch all die Stimulusprogramme, Zinssenkungen, regulatorischen Eingriffe, die Abwertung der chinesischen Währung sowie die Kriminalisierung von Leerverkäufern haben am Ende Zweifel bei den Anlegern aufkommen lassen, ob es die Zentralbank tatsächlich richten könne. Plötzlich entstand ein Kontrolldefizit, das im Extremfall sogar zu einem kollektiven Kontrollverlust führen kann. Und dessen Kennzeichen ist: Panik.

Auch wenn manche Kommentatoren diesen Teil der chinesischen Börsengeschichte als irrational und ohne nachhaltige Konsequenz für die anderen globalen Aktienmärkte abtun möchten: Die Stützungsmaßnahmen der chinesischen Regierung haben ihren Preis. Kapitalabflüsse und Verwerfungen im Währungsmarkt haben an der Börse die Handelsvolumina drastisch reduziert. Denn in einem Markt, in dem die Makler nicht mehr bereit sind, Kredite zur Verfügung zu stellen, gibt es zwangsläufig zu wenig Liquidität. Mehr noch, halten neue Regulierungen, Leerverkaufsverbote, das Veräußerungsverbot größerer Aktienpakete in- und ausländische Investoren von weiteren Engagements ab. Denn niemand erwirbt etwas, von dem er nicht weiß, ob er's morgen noch verkaufen darf.

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